Angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Bedrohungslage kommt dem raschen Hochlauf der deutschen und europäischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (SVI) eine herausragende Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund hat Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche einen Beraterkreis von vier Experten einberufen, die vielfältige Erfahrungen und Expertise in der Wirtschafts- und Verteidigungspolitik vereinen.
Ziel des ehrenamtlichen Beratungsgremiums ist es, die Ministerin und das Bundeswirtschaftsministerium dabei zu unterstützen, die Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit in Deutschland und Europa in der Weise zu organisieren, dass die großen Potentiale der deutschen und europäischen Industrie bestmöglich gehoben werden. So kann die SVI Impulse für Wachstum und Innovation auch in zivilen Wirtschaftsbereichen geben.
Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie: „Wir müssen Verteidigungswirtschaft und Verteidigungsinvestitionen als strategischen Hebel begreifen: für Technologie, Resilienz und Wohlstand. Sicherheitspolitik ist Wirtschaftspolitik. Gerade in Schlüsselbereichen wie Künstlicher Intelligenz, Drohnen, Robotik, Raumfahrt und Satellitenkommunikation müssen wir europäische technologische Souveränität, Verteidigungswirtschaft und Wirtschaftswachstum zusammendenken. Denn die schnellstmögliche Wiederherstellung unserer Verteidigungsfähigkeit ist nicht nur sicherheitspolitisch notwendig, sondern bietet zugleich enorme Chancen für Innovation und Wachstum. Ich bin sehr dankbar, anerkannte Experten auf diesem Gebiet gewonnen zu haben: Prof. Dr. Moritz Schularick, René Obermann, Nico Lange und Generalleutnant a.D. Jürgen-Joachim von Sandrart bringen höchste Expertise und große Erfahrung mit. Die Experten werden das BMWE mit einem kritischen Blick fundiert beraten.“
Prof. Dr. Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Sciences Po (Paris): „Der fundamentale Wandel der Bedrohungslage, den wir aktuell erleben, fällt in eine Zeit rasanter technologischer Entwicklungen, welche nicht nur die Funktionsweise der Verteidigung grundlegend verändern. Für Deutschland liegt hier eine enorme Chance: Genau zu dem Zeitpunkt, in dem neue Technologien die Verteidigungsindustrie transformieren, stehen erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung. Diese Spielräume müssen wir strategisch klug und konsequent nutzen, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken und zugleich Innovationskraft und Wachstum der deutschen Wirtschaft zu fördern. Das ist ein Auftrag, bei dem ich die Bundesministerin und ihr Haus sehr gerne unterstütze.“
René Obermann, Chairman of the Board of Directors bei Airbus sowie Managing Director und Chairman Europa bei Warburg Pincus Europe: „Um die ökonomischen Chancen zu nutzen, die in der Zeitenwende liegen, muss Deutschland seine Status-quo-Orientierung überwinden. Es muss den Sprung zur nächsten Generation von Verteidigungstechnologien wagen und High-Tech-Cluster schaffen, die kontinuierliche Innovation mit der Geschwindigkeit des zivilen Tech-Sektors ermöglichen. Dazu möchte ich als Berater der Bundeswirtschaftsministerin meinen Beitrag leisten.“
Nico Lange, Senior Fellow bei der Münchner Sicherheitskonferenz und Senior Fellow, Transatlantic Defense and Security beim Center for European Policy Analysis (CEPA): „Der Ansatz, alles zu machen wie immer, nur mit viel mehr Geld, ist gescheitert. Die deutsche Verteidigungspolitik und die Verteidigungswirtschaftspolitik müssen sich radikal neu ausrichten. Verteidigungsinvestitionen müssen als strategischer Hebel für technologischen Fortschritt, wirtschaftliche Resilienz und nationalen Wohlstand verstanden werden. Tempo geht dabei vor Perfektion, da in der modernen Kriegsführung derjenige gewinnt, der seine Frontstreitkräfte am schnellsten mit Technologie versorgt. Und Verteidigungsinvestitionen müssen Investitionen in europäische Souveränität sein, um Erpressbarkeiten vorzubeugen und eigene strategische Handlungsfähigkeit zu ermöglichen.“
Jürgen-Joachim von Sandrart, Generalleutnant a.D.: „Deutschland ist heute mit einer grundlegend veränderten sicherheitspolitischen Lage konfrontiert. Bereits jetzt produziert Russland mehr als es für den Ukraine-Krieg braucht. Russland lernt konsequent aus dem Ukraine-Krieg, passt seine militärischen Strukturen, Prozesse und Zielsetzungen oberhalb wie auch unterhalb der Schwelle Krieg fortlaufend an, ist kriegswillens, erfahren und kriegstüchtig. Deshalb haben wir keine Zeit: Deutschland und Europa müssen schnellstmöglich ihre Produktionskapazitäten synchronisieren und ausbauen, die unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten entsprechen. Wir müssen in jeder Hinsicht skalieren, um uns aus der Reaktion in die Aktion zu bringen, um so Bedrohungen kontrollieren und unsere Sicherheit gestalten zu können. Nur so erwächst aus einer Position der Stärke die Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit gegenüber jedem Agressor, die den Krieg verhindert.“
Biografien des Beraterkreises:
Prof. Dr. Moritz Schularick ist seit Juni 2023 Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Sciences Po (Paris). In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit Geoökonomie, Finanzmärkten und Vermögenspreisen, den Ursachen von Finanzkrisen und ökonomischer Ungleichheit. Vor seiner Berufung nach Kiel war Moritz Schularick unter anderem Professor für Makroökonomie an der Universität Bonn und Direktor des dortigen MacroFinance Labs.
René Obermann ist seit 2020 Vorsitzender des Verwaltungsrates der Airbus SE, sowie Chairman Europa bei Warburg Pincus und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der IONOS SE. Zuvor war er bereits Manager oder Aufsichtsratsmitglied bei zahlreichen deutschen und europäischen Unternehmen wie E.ON, Spotify, Allianz oder der Telekom, die er von 2006 bis 2013 als Vorstandsvorsitzender verantwortete.
Nico Lange ist Senior Fellow bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Er ist außerdem Senior Fellow, Transatlantic Defense and Security beim Center for European Policy Analysis (CEPA) in Washington D.C. und Senior Advisor bei GLOBSEC. Lange hat Lehraufträge am Lehrstuhl für Militärgeschichte der Universität Potsdam und an der Hertie School of Governance in Berlin. Er diente von 2019 bis 2022 als Leiter des Leitungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung. Ebenfalls leitete er für die Konrad-Adenauer-Stiftung mehrere Auslandsbüros, u.a. in den USA und der Ukraine.
Jürgen-Joachim von Sandrart ist Generalleutnant außer Dienst des Heeres der Bundeswehr. In seiner letzten Verwendung war er Kommandierender General des Multinationalen Korps Nord-Ost. In weiteren Verwendungen leitete er unter anderem die 1. Panzerdivision in Oldenburg oder die Panzergrenadierbrigade 41. Ebenfalls leitete er von 2017 bis 2018 das Büro des Generalinspekteurs der Bundeswehr.