Titelbild zum Artikel "Die öffentliche Beschaffung vereinfachen, beschleunigen und digitalisieren – das Vergabebeschleunigungsgesetz"

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Die öffentliche Hand ist mit ihrer Beschaffung ein sehr relevanter Wirtschaftsfaktor – sie gibt jährlich Leistungen im dreistelligen Milliardenbereich in Auftrag. Laut der Vergabestatistik, die öffentliche Aufträge ab 25.000 Euro erfasst, wurden allein im Jahr 2023 195.000 Aufträge von Bund, Ländern und Kommunen mit einem Volumen von 125 Milliarden Euro vergeben. Zusammen mit den in der Statistik nicht erfassten Vergaben ergeben sich noch deutlich mehr Beschaffungsfälle und höhere Auftragsvolumina.

Das Vergaberecht bestimmt das Verfahren zur Vergabe dieser öffentlichen Aufträge. Es setzt Anforderungen etwa für die transparente Veröffentlichung der Ausschreibungen, die Beschreibung der Leistung, die Anforderungen an die Bieter und Angebote, die Kriterien für die Angebotsauswahl oder die Gleichbehandlung aller Unternehmen im Vergabeprozess. Dabei sind die vergaberechtlichen Grundsätze von Wettbewerb, Transparenz, Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit maßgeblich.

ENTWURF ZUR BESCHLEUNIGUNG DER VERGABE ÖFFENTLICHER AUFTRÄGE

Am 6. August 2025 hat die Bundesregierung den Entwurf für das „Gesetz zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge“ vorgelegt. Mit diesem sogenannten „Vergabebeschleunigungsgesetz“ wird ein maßgebliches Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, das die öffentliche Beschaffung einfacher, schneller und digitaler gestaltet. Das Vergabebeschleunigungsgesetz reformiert das allgemeine Vergaberecht oberhalb der EU-Schwellenwerte1 und beinhaltet vor allem Änderungen am Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und den verschiedenen Vergabeverordnungen. Die Maßnahmen beruhen unter anderem auf einem umfangreichen Beteiligungsprozess zur Reform des Vergaberechts, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Jahr 2023 durchgeführt hat. Dabei wurden etwa über 450 eingegangene Stellungnahmen analysiert und berücksichtigt.

DIE POSITIVEN AUSWIRKUNGEN EINER BESCHLEUNIGTEN ÖFFENTLICHEN BESCHAFFUNG

Das Vergabebeschleunigungsgesetz entlastet sowohl die öffentliche Verwaltung als auch die Wirtschaft massiv: Für die öffentliche Verwaltung wird eine jährliche Entlastung von 282 Millionen Euro erwartet und für die Wirtschaft eine jährliche Entlastung von 99 Millionen Euro.

Zugleich wird die öffentliche Beschaffung deutlich beschleunigt. Dies führt zu einer schnelleren Umsetzung und Verausgabung von öffentlichen Investitionsmitteln. Davon profitieren Unternehmen sowie auch Bürgerinnen und Bürger, etwa in der Infrastruktur, wo Brücken oder Schulen schneller erbaut, saniert und genutzt werden können. Öffentliche Investitionen gelten außerdem besonders in wirtschaftlichen Schwächephasen als geeignetes Instrument zur wirtschaftlichen Stabilisierung. So kann ein Euro öffentliche Investitionen im Durchschnitt 1,50 Euro private Investitionen anreizen. Auch entstehen durch die Reform effizientere Verwaltungsabläufe. Ressourcen werden für schnellere Verfahren an anderer Stelle frei und Verzögerungen von Investitionsprojekten werden vermieden.

All dies erhält besondere Bedeutung vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage und des vielfach bemängelten „Investitionsstaus“ in Deutschland, den die neue Bundesregierung unter anderem durch das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität angeht. So werden auch Infrastrukturvorhaben aus dem Sondervermögen im Vergabebeschleunigungsgesetz besonders berücksichtigt und erhalten einen zusätzlichen Beschleunigungsbooster durch eine Ausnahmeregelung vom sogenannten Losgrundsatz, der vorsieht, dass Aufträge fach- und mengenmäßig in kleinere Auftrags-„Lose“ aufgeteilt werden.

WENIGER BÜROKRATIE DURCH MEHR DIREKTAUFTRÄGE UND ABBAU VON NACHWEISPFLICHTEN

Der Gesetzentwurf sieht viele große und kleine Maßnahmen an verschiedenen Stellschrauben im Beschaffungsprozess vor, die zur Vereinfachung und Beschleunigung von Vergabeverfahren beitragen.

Bei öffentlichen Aufträgen des Bundes können Leistungen bis zu einem Auftragswert von 50.000 Euro nunmehr als Direktauftrag vergeben werden, sodass hier keine aufwändigen und langwierigen Vergabeverfahren mehr erforderlich sind. Das ist gerade bei geringen Auftragswerten verhältnismäßig, da die Beschaffung so schneller und flexibler erfolgen kann. Gleichzeitig sind haushaltsrechtliche und interne Vorgaben, etwa die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, weiterhin einzuhalten.

Zudem werden Nachweispflichten deutlich reduziert. Es gilt der Grundsatz, dass Eigenerklärungen ausreichen. Nachweispflichten bestehen nur noch für „aussichtsreiche“ Unternehmen, die voraussichtlich den Auftrag erhalten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Eignungskriterien und Nachweisen wird deutlich hervorgehoben. Diese Verhältnismäßigkeit bezieht sich nun auch auf den Auftragswert. Für Aufträge mit geringerem Auftragswert heißt das: weniger Nachweise, weniger Hürden und weniger Bürokratie.

Weitere Vereinfachungsmaßnahmen

Es reicht künftig aus, wenn Leistungsbeschreibungen „eindeutig“ ausgestaltet werden. Sie müssen nicht bis ins kleinste Detail ausformuliert sein und sind entsprechend mit weniger Aufwand und Bürokratie verbunden.

Bei bestehenden Rahmenvereinbarungen und dynamischen Beschaffungen können Leistungen schneller abgerufen werden – unnötige Wartefristen entfallen künftig.

Die Wertgrenzen für Meldungen an die Vergabestatistik und Abfragen des Wettbewerbsregisters werden auf 50.000 Euro angenommen. Damit werden Statistik- und Abfragepflichten für die Vergabestellen reduziert; unter dieser Wertgrenze sind die Angaben und Abfragen optional.

Die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit – maßgeblich entscheidend für die Digitalisierung der Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen – wird erleichtert, indem etwa Inhouse-Vergaben einfacher möglich werden.

Die Nachforderung von Unterlagen wird vereinfacht und rechtssicher ausgestaltet, sodass etwa Formfehler nicht automatisch zum Ausschluss von Unternehmen führen müssen.

Für Bedarfe der Bundeswehr werden gesondert weitere Vereinfachungen und Beschleunigungen eingeführt (siehe dazu den Artikel in dieser Ausgabe ab Seite 9)

EFFIZIENTER RECHTSSCHUTZ

Nachprüfungsverfahren stellen den Rechtsschutz von Unternehmen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sicher. Unternehmen können vor einer Vergabekammer die Verletzung ihrer Rechte geltend machen, soweit aus ihrer Sicht im Vergabeverfahren das Recht zu ihren Lasten fehlerhaft angewendet wurde. Mit dem Vergabebeschleunigungsgesetz werden diese Nachprüfungsverfahren beschleunigt und digitalisiert. So entfällt etwa die aufschiebende Wirkung bei sofortigen Beschwerden gegen ablehnende Entscheidungen der Vergabekammern. Damit erhalten öffentliche Auftraggeber, die vor der Vergabekammer in der ersten Instanz obsiegen, die Möglichkeit, den Auftrag sofort zu vergeben. Sie sollen nicht mehr das gesamte Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht abwarten müssen, was zuweilen die Realisierung des Auftrags um Jahre verzögern kann. Der Schriftverkehr im Nachprüfungsverfahren kann nunmehr per einfacher E-Mail stattfinden; Verhandlungen können auch virtuell erfolgen.

NACHHALTIGKEIT UND LEITMÄRKTE IM BEREICH DER ÖFFENTLICHEN BESCHAFFUNG

Im Gesetzentwurf sind keine verpflichtenden Vorgaben zur nachhaltigen Beschaffung vorgesehen. Dies ist auch nicht notwendig, denn die Berücksichtigung sozialer und umweltbezogener Kriterien im Vergabeverfahren ist bereits jetzt möglich. Sie kann vor Ort und konkret auf den Einzelfall zugeschnitten erfolgen. So kann effizient und flexibel nachhaltig beschafft werden, ohne dass weitere Belastungen und bürokratischer Aufwand entstehen.

In bestimmten Fällen sind konkrete vergaberechtliche Vorgaben sinnvoll, etwa bei der Schaffung von Leitmärkten für klimafreundliche Grundstoffe. So legt das Vergabebeschleunigungsgesetz mit einer Verordnungsermächtigung die Grundlage für Vorgaben zur Klimafreundlichkeit von Leistungen. Sobald diese Verordnungsermächtigung in Kraft ist, wird die Bundesregierung zeitnah in einem separaten Verfahren Vorgaben erarbeiten, um durch öffentliche Beschaffung etwa von klimafreundlichem Stahl und Zement Investitionen anzureizen und die Transformation der Industrie voranzutreiben. Dabei wird weiterhin größtes Gewicht auf die Praxistauglichkeit und bürokratiearme Umsetzung gelegt.

Das Bundestariftreuegesetz

Am 6. August 2025 hat das Bundeskabinett auch den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes (Tariftreuegesetz) beschlossen. Damit wird die sozial-nachhaltige Beschaffung des Bundes gestärkt und ein Nachteil beseitigt, den tarifgebundene Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge haben. Über die Personal- und Lohnkosten soll kein Verdrängungswettbewerb mehr zugunsten von nicht-tarifgebundenen Unternehmen stattfinden. Denn nach den Vorgaben des Gesetzes müssen Unternehmen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern künftig, wenn sie öffentliche Aufträge des Bundes mit einem Wert von mindestens 50.000 Euro ausführen, Arbeitsbedingungen aus repräsentativen Branchentarifverträgen gewähren (Entlohnung, Urlaub, Ruhezeiten). Die jeweils konkret einschlägigen Arbeitsbedingungen werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung festgesetzt und ihre Einhaltung von einer neuen Prüfstelle Bundestariftreue kontrolliert. Mit dem Tariftreuegesetz soll die Tarifbindung in Deutschland gestärkt werden. Es setzt einen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag um.

DIE DIGITALISIERUNG VORANTREIBEN

In Vergabe- und Nachprüfungsverfahren sollen noch stärker als bisher digitale Elemente zum Tragen kommen. Dazu sieht der Gesetzentwurf etwa die Einführung der Textform (zum Beispiel E-Mail) in Nachprüfungsverfahren vor. In Bekanntmachungen sollen stärker als bisher Verlinkungen genutzt und die Markterkundung vornehmlich elektronisch durchgeführt werden. Durch die Möglichkeit, bei revisionssicheren elektronischen Vergabesystemen auf das Vier-Augen-Prinzip zu verzichten, wird die digitale Vergabepraxis weiter auf die Zukunft ausgerichtet.

MEHR AUFTRÄGE AN KMU, AN START UPS UND AN INNOVATIVE UNTERNEHMEN

Der Mittelstand, junge und innovative Unternehmen sind wichtige Säulen der deutschen Wirtschaft, deren Beteiligung an der öffentlichen Beschaffung der Bundesregierung ein besonderes Anliegen sind. Das Vergabebeschleunigungsgesetz sieht spezifische Maßnahmen vor, um deren besondere Unternehmenseigenschaften stärker zu berücksichtigen und ihre Chancen auf einen öffentlichen Auftrag zu erhöhen. Dies gilt etwa bei der Auswahl von Eignungskriterien oder den Zahlungsmodalitäten. Außerdem sollen diese Unternehmen häufiger gezielt zu Angeboten aufgefordert werden und einfacher alternative Nachweise einreichen können. Bei einer Gesamtvergabe kann nunmehr der Generalunternehmer verpflichtet werden, die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen zu berücksichtigen, etwa durch Unteraufträge. Nebenangebote, also die Möglichkeit, alternative Angebote einzureichen, um den ausgeschriebenen Bedarf zu decken, gelten als besonders effektives Instrument zur Innovationsförderung im Vergaberecht; auch ihre Nutzung wird gestärkt.

Zudem ist eine Sonderregelung für Start-ups geplant: Direktaufträge sollen bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro möglich sein, wenn der Auftragnehmer ein Start-up mit einer innovativen Leistung in den ersten vier Jahren nach seiner Gründung ist. Diese Sonderregelung ist dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein besonders wichtiges Anliegen und wird zeitnah durch eine separate Verwaltungsvorschrift umgesetzt.

NÄCHSTE SCHRITTE

Das Vergabebeschleunigungsgesetz wird nun in den nächsten Monaten von Bundesrat und Bundestag im parlamentarischen Verfahren beraten. Ein Inkrafttreten im Frühjahr 2026 erscheint realistisch.

Zugleich arbeitet das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie an einigen weiteren Vorhaben im Bereich des Vergaberechts, um die öffentliche Beschaffung noch stärker zu vereinfachen und zu beschleunigen. Dazu gehören etwa die Reform der Unterschwellenvergabeordnung, die gemeinsam mit den Ländern und zeitnah nach dem Vergbebeschleunigungsgesetz erarbeitet wird, oder das nachdrückliche Einbringen der deutschen Perspektive in den Reformprozess für die europäischen Vergaberichtlinien.

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1Gegenwärtig liegen diese grundsätzlich bei 5,538 Millionen Euro für öffentliche Bauaufträge und 221.000 Euro für öffentliche Dienst- und Lieferaufträge

KONTAKT & MEHR ZUM THEMA

Referat IB3 – Öffentliche Aufträge, Vergaberecht; Immobilienwirtschaft

Gesetzentwurf Vergabebeschleunigungsgesetz

Konsultation Vergabebeschleunigungsgesetz

Gesetzentwurf Bundestariftreuegesetz

Konsultation Bundestariftreuegesetz

Parlamentarisches Verfahren

Literaturverzeichnis: Bundesministerium der Finanzen (April 2021), BMF-Monatsbericht, Öffentliche Investitionen als Triebkraft privatwirtschaftlicher Investitionstätigkeit

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